Da hat man die Welpenzeit erfolgreich gemeistert, dein Hund kennt Halsband und Leine, er hat die Basiskommandos Sitz, Platz und den Rückruf schon ganz fein erlernt und an viele Alltagssituationen hast du deinen kleinen Welpen hervorragend ran geführt… und nun?…. gefühlt ist alles Erlernte weg… oder doch nicht?
Was passiert in der Pubertät?
Wie gehe ich am besten mit der Weiterführung der alltäglichen Erziehungen um? Wie viel Aktivität tut dem Pubertier gut? Was sind die sinnvollsten Übungen? Und wann kann ich hoffen, dass es wieder besser wird?
Wenn du mehr Wissen über die Entwicklung deines Hundes hast, erhöht sich dein Verständnis und du bekommst mehr Selbstsicherheit in eurer Beziehungsarbeit.
Notwendiges Wissen der körperlichen Entwicklung
Die Pubertät beginnt meist zwischen dem 6.- und 12. Monat. Kleinere Hunde starten dabei früher als größere Rassen.
Zwischen dem 3. und 7. Lebensmonat findet der Zahnwechsel statt. Die Junghunde haben in dieser Zeit ein großes Kaubedürfnis welchem sie intuitiv nachgehen.
Die Sexualhormone beeinflussen zunehmend die körperliche Entwicklung, insbesondere der Geschlechtshormone, und es kommt zu Verhaltensänderungen. Die Rüden zeigen nun öfter Imponierverhalten bei Hundebegegnungen. Sie präsentieren sich mit durchgestreckten Beinen und erhobenen Hauptes, die Ohren sind maximal in den Himmel gezogen und mit steifem Gang wird der andere Hund umlaufen, angerempelt oder es wird sich ihm in den Weg gestellt. Ausdrücken wollen die Hunde damit soziale Stärke und Selbstsicherheit. Auf andere Rüden soll das Imponierverhalten abweisend oder einschüchternd wirken, gegenüber Hündinnen anziehend. Imponierverhalten darf nicht mit drohendem Verhalten oder aggressiven Verhalten gleich gesetzt werden, es kann aber in ein solches Verhalten kippen. Daher ist das genaue Beobachten bei Hundebegegnungen wichtig.
Rüden markieren nun vermehrt mit angehobenem Bein, ganz beliebt an erhöhten Stellen, wie Büschen, Baumstämmen, Laternen und Zäunen. Damit platzieren Sie mit geringem Aufwand ihre Duftmarke an Orten, die von anderen Hunden schnell entdeckt werden. Außerdem sind pubertierende Rüden sexuell interessierter.
Hündinnen markieren auch, aber weniger, und eher selten mit einem angehobenen Bein. Vermehrtes Markieren erfolgt bei Hündinnen während der Läufigkeit. Die erste Läufigkeit findet meist zwischen dem 6. und 12. Monat statt. Aber durchaus kann die erste Läufigkeit auch bis zum 2. Lebensjahr auf sich warten lassen. Anderen Hündinnen gegenüber zeigt die läufige Hündin vermehrt Imponierverhalten und aggressive Verhaltensweisen.
Warum hört der Hund in der Pubertät nicht mehr auf erlernte Kommandos?
In der Welpenzeit werden viele Nervenbahnen durch das Erlernen von Erfahrungen angelegt. Nun gibt es Nervenbahnen, die intensiv genutzt wurden und welche, die weniger ausgebaut wurden. Je mehr eine Nervenbahn, eine positive oder negativ erlernte Erfahrung, trainiert wurde, umso stabiler ist sie in der Pubertät. Durch den gigantischen Umbauprozeß im Gehirn werden, während der Pubertät, Nebenbahnen verändert und viele bereits angelegte gelöscht. Schwupp… weg ist das mühsam angelegte Wissen der Welpenzeit. An dieser Stelle will gesagt sein, wer in der Welpenzeit schläft, seinem Hund keinen oder kaum sozialen Umgang mit Menschen und anderen Tieren ermöglicht, sowie den Welpen nicht an unterschiedliche Umweltreize (Stadt, Auto, Straßenbahn, Rasenmäher etc.) gewöhnt und ihm nicht lehrt einen gewissen “Frust” auszuhalten, der bekommt es in der Pubertät deutlich zu spüren. Natürlich hat nicht jeder die Welpenzeit selber gestalten können und du hast vielleicht einen Junghund aus zweiter Hand oder dem Tierschutz übernommen. Es ist auch nicht immer bekannt wie die Welpenzeit abgelaufen ist und welche Erfahrungen, egal ob positiv oder negativ, dein Hund schon gemacht hat. Wir haben also ein kleines verpacktes Geschenk vor uns, welches sich in der Pubertät öffnet und für uns die ein oder andere Überraschung offenbart.
Nun passiert aber noch etwas im Gehirn des “Pubertier”. Das selbstbelohnende Verhalten lernt der Hund intensiver kennen und vor allem lieben. Selbstbelohnend sind alle Verhaltensweisen, die der Hund ganz für sich alleine erfolgreich werden lässt, ganz ohne unser Zutun. Selbstbelohnend ist das “tolle” Gefühl beim Jagen (auch ohne das Erlegen des jeweiligen Tieres), das Hinstürmen zu anderen Hunden, obwohl das Rückrufkommando ausgesprochen wurde, das Anspringen von Leuten, egal ob fremd oder bekannt, das Fressen des Katzenfutters in Nachbarsgarten oder auch erfolgreich aggressives Verhalten, um an das persönliche Ziel zu gelangen.
Tipps im Umgang mit der Pubertät beim Hund
Doch was gilt es nun zu tun, um den Junghund in der Spur zu halten oder in die richtige Bahn zu lenken?
- Bewahre stets die Ruhe und Geduld. Ich weiß, das ist leichter geschrieben und gesagt als getan. Aber wenn auf einen ausbrechenden Vulkan mit Feuer reagiert wird, beruhigt sich der Ausbruch nicht. Auch brauch dein Junghund einen gelassenen Sozialpartner, an dem er sich orientieren kann, insbesondere auch in schwierigen Situationen.
Tipp: Bevor du falsch reagierst und dich wie Rumpelstilzchen aufführst oder über sein „Fehlverhalten“ unpassend lachst und du ihn damit nur noch mehr anstachelst, dasselbe wieder zu tun, atme tief durch und überleg dir einen Plan. - Überdenke deinen Tagesplan. Natürlich benötigt ein Junghund Abwechslung, neue Herausforderungen, Spiel und Spaß mit Freunden, aber überdenke, ob es deinem Hund an manchen Stellen nicht zu viel ist. Braucht dein Hund täglich die wilde Hundewiese? Ist das Zeitfenster der Spaziergänge angemessen? Bist du immer in Hektik mit ihm unterwegs? Hat er genügend Zeit, um Situationen wirklich aufzunehmen und ordentlich abzuspeichern? Lernt er im Zuhause, ohne dich zu ruhen, oder läuft er dir bei all deinen häuslichen Aktivitäten hinter dir her?
Erstelle dir doch ein paar Tage in Folge mal einen Aktivitätenplan und notiere dir wieviel, wie und wann dein Junghund aktiv ist. Folgende Punkte könnten dir dabei helfen:
- Ruhephasen
- gemeinsamer Kontakt (d.h. Schmusen, gemeinsam Ruhen, Spielen u. Toben, Trainieren)
- Spaziergänge Häufigkeit, Dauer und Länge
Lass dich nicht von der Hektik und dem Temperament deines Junghundes dazu hinreissen immer mehr Programm zu bieten, immer wilder und doller zu spielen, immer länger spazieren zu gehen.
Jeder kennt bei Kindern den Spruch „Nach müde, kommt doof” und so ist es bei allen Lebewesen, auch bei deinem Junghund! 😉
- Trainieren – dann eben noch einmal von Anfang an. Geh mit dem Bewusstsein ans Training, dass bisher gelernte Kommandos eben wieder verpufft sein können. Je entspannter du mit diesem Bewusstsein ins Training gehst, umso weniger bist du frustriert und umso weniger wird dein Junghund frustriert. Bemerkst du, dass eine Übung vergessen ist, so starte sie im Aufbau einfach noch einmal ganz von vorne und tu so als hättet ihr diese Aufgabe noch nie geübt.
Verständnis für den anderen ist die Basis für ein entspanntes miteinander.
- Kontrolliertes Handling in jeweiligen Situationen Klappt der Rückruf plötzlich nicht mehr und dein Junghund ist schon einige Male, trotz Rückruf, zu anderen Hunden hingelaufen und hat schlussendlich mit ihnen gespielt und sich damit selbstbelohnt, dann gehört er folglich vorerst an die Schleppleine. Denn nur die Schleppleine kann ihn von diesem weiteren selbst belohnenden Fehlverhalten abhalten. Denn je öfter der Hund sich in einer bestimmten Situation selbst belohnt, desto mehr festigt sich das Verhalten. Selbst belohnendes Verhalten kann übrigens nicht mehr gelöscht werden, es sind Erfahrungen, die für den Hund lebenslang eine wichtige Rolle spielen. Daher lieber ein paar Monate eine Schleppleine, als lebenslang einen Vertrauensverlust in den Rückruf.
- Um den Zahnwechsel zu erleichtern, sollte dein Junghund ausreichend altersgerechte Kauartikel bekommen. Wichtig ist bei zusätzlichen Kauartikeln nicht zu viel Protein zu füttern. Der Bedarf an einer hochwertigen Proteinquelle von Junghunden ist natürlich wesentlich höher als bei einem erwachsenen Hund, aber zu viel Protein belastet den Stoffwechsel des Hundes. Es kann zu Juckreiz und Hautproblemen kommen. Aber auch das Verhalten kann durch die Gabe von zu viel Protein beeinflusst werden. Die Junghunde werden schneller hektisch, finden weniger Ruhe, sind impulsiver, teils aggressiver. Ich empfehle hierzu immer, sich den Rat eines fachkundigen Ernährungsberaters für Hunde einzuholen. Tipp: eine harte frische Möhre lindert als Futterabwechslung auch den im Zahnwechsel empfundenen Kaubedarf.
- Das lästige Thema mit der Konsequenz. Die Überschrift des Absatzes habe ich bewusst wo gewählt, denn diejenigen von euch, die mit dem Thema „Konsequenz“ Schwierigkeiten haben, werden wissen, was ich meine. Es ist uns doch eigentlich allen bewusst wie wichtig es ist in einer Erziehung eines Individuums konsequent zu sein. Meist scheitert es daran, dass uns in manchen Situationen das Einhalten der Konsequenz zu anstrengend oder nicht wichtig genug erscheint. Der erste Schritt sollte also immer sein sich zu fragen, was ist mein Trainingsziel, was ist mir bei der Erziehung wichtig. Und im besten Fall schreibt ihr euch diese Ziele wirklich einmal auf. Wenn ihr mehrere Familienmitglieder in einem Haushalt seit, dann solltet ihr diese Ziele übrigens gemeinsam definieren. Beispiel: Dein Partner füttert den Hund während des Familienessens mehrfach vom Tisch, auch den Kindern fällt schon einmal etwas runter. Hiermit ist das „Betteln“ am Tisch klare Sache und das ist ja grundsätzlich auch gar nichts Schlimmes, wenn es euch nicht stört. Damit ist euer Hund nicht grundsätzlich unerzogen. Ihr habt nur einfach nicht das Ziel, dass euer Hund während des Essens ohne zu betteln im Körbchen liegt. Ihr müsst also festhalten, was euch wirklich wichtig ist und nur dann könnt ihr konsequent an diesem Trainingsziel arbeiten.
Schlußendlich ist die Pubertät eine ganz spannende Zeit, mit vielen Überraschungen, neuen und alten Wegen und immer mit der Hoffnung, dass sie doch auch mal zu Ende geht. 😉 Weitere Tipps & Tricks findest du in meinem Pfotenratgeber.